Kombinierte Behandlungskonzepte bei Gliomen

Gliome gehören zu den häufigsten, leider auch zu den am schwierigsten zu behandelnden Hirntumoren. Aufgrund der lokalen Infiltrationsneigung von Gliomzellen weisen diese Tumoren im gesunden Hirngewebe keine scharfen Grenzen auf und können deshalb in aller Regel operativ nicht vollständig entfernt werden. Dies bedeutet, dass Gliome (mit Ausnahme des pilozytischen Astrozytoms) prinzipiell nicht mit einer Operation geheilt werden können.

Aus diesem Grunde bieten wir neben der chirurgischen Resektion auch andere Therapien an:

  • Bestrahlung
  • Brachytherapie
  • Chemotherapie
  • experimentelle Verfahren (neuartige Chemotherapien, Antikörpertherapien, convection enhanced delivery)
  • Beobachtung
  • palliative Behandlung

Für das Glioblastoma multiforme (WHO Grad IV), das am häufigsten vorkommende und auch bösartigste Gliom, liegen umfangreiche Daten aus klinischen Studien vor, welche die Wertigkeit bestimmter Therapieoptionen klar definiert haben. Als Standardtherapie aufgrund dieser Daten werden angesehen:

  • Operation: Hier sollte das Ziel der OP sein, den soliden Tumoranteil (kontrastmittel-aufnehmender Tumoranteil im MRT) vollständig zu entfernen. Falls der Tumor aufgrund seiner Lokalisation nicht operabel ist, erfolgt eine stereotaktische Biopsie. Siehe hierzu auch Fluoreszenzgestützte OP
  • Radiochemotherapie mit Temozolomid (Temodal®)
  • Zyklische Chemotherapie mit Temozolomid (Temodal®)

Für die Rezidivsituation beim Glioblastom liegen jedoch keine definierten Standards mehr vor, hier müssen individuelle Therapieentscheidungen getroffen werden. Aktuell werden neben dem erneuten Einsatz operativer Verfahren intensivierte Temodalschemata, die Gabe von Bevacizumab (Avastin®) oder eine erneute Bestrahlung angeboten. Wenn diese Möglichkeiten ausgereizt sind und der Patient weiter therapiert werden kann/möchte, ist der Einsatz experimenteller Therapien - möglichst im Rahmen klinischer Studien - indiziert.
Eine wichtige Entscheidungshilfe für den Einsatz belastender Therapien ist ein aus dem Tumorgewebe zu bestimmender molekulargenetischer Marker: Der Methylierungsstatus des MGMT-Promotors. Im Falle einer positiven Methylierung ist von einer besseren Prognose und gegebenenfalls auch von einem besseren Ansprechen auf eine Chemotherapie auszugehen.

Bei allen anderen Gliomen vom WHO Grad I bis III wird in jedem Fall zunächst die OP-Indikation geprüft. Wenn Größe, Lokalisation und der klinische Zustand des Patienten es zulassen, wird der Tumor soweit wie möglich reseziert, um die bestmöglichen Voraussetzungen für weitere Maßnahmen zu schaffen. Wenn die offene Operation nicht indiziert werden kann, erfolgt eine stereotaktische Biopsie.

Anaplastische Astrozytome und Oligodendrogliome (WHO Grad III) werden postoperativ in der Regel bestrahlt. Bei Oligodendrogliomen hat sich jedoch die Chemotherapie der Bestrahlung als ebenbürtig erwiesen und wird aktuell als primäre postoperative Therapie der Bestrahlung vorangestellt. Im Rezidivfall wird dann die jeweils andere adjuvante Therapie eingesetzt.

Astrozytome und Oligodendrogliome vom WHO Grad II (sogenannte niedergradige Gliome) werden aufgrund ihrer niedrigeren Wachstumsgeschwindigkeit zurückhaltender therapiert. Auch hier gilt das Prinzip: Wenn die soliden Tumoranteile in ihrer Gesamtheit entfernt werden können, ist die Operation die Therapie der ersten Wahl. Wenn dies nicht so ist, werden über eine stereotaktisch geführte Biopsie folgende Parameter durch die Neuropathologie bestimmt:

  • Histologische Diagnose
  • WHO Grad
  • Proliferationsindex
  • Methylierungsstatus des MGMT-Promotors (siehe oben)
  • Allelverlust der Chromosomenabschnitte 1p und 19q (LOH 1p/19q)

Mit diesen Informationen, insbesondere den beiden letztgenannten molekulargenetischen Parametern, können ein individuelles Risikoprofil für den Patienten erstellt und zugleich Aussagen über das Ansprechen von Chemotherapien getroffen werden.
Je nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen erstellen wir dann ein individuelles Therapieregime aus Beobachtung oder den oben genannten therapeutischen Maßnahmen.

Die ideale Plattform zur Erstellung dieser Therapiekonzepte ist unser interdisziplinäres Tumorboard, dem Kollegen des Zentrums für Neurochirurgie und der Kliniken für Strahlentherapie, Neurologie, Onkologie, Kinderonkologie und Neuropathologie angehören. Dieses Tumorboard findet jeden Donnerstag von 16:00 - 17:00 Uhr statt. Auch Sie als unser Kooperationspartner können gerne Patienten dort vorstellen.

Da die Prognose der Patienten mit Gliomen limitiert ist, sehen wir es als unsere Aufgabe an, weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zu neuen Therapien zu gewinnen. Aus diesem Grund sind wir bemüht, unseren Patienten den Einschluss in klinische Studien anzubieten. Bei diesen Studien wird in der Regel die Standardtherapie durch neue, möglicherweise sehr effiziente Verfahren ergänzt. In diesem Zusammenhang ist auch die alte Erkenntnis wichtig, dass Patienten, die in klinische Studien eingeschlossen sind, allein schon durch die intensivere Betreuung und Nachsorge eine bessere Prognose haben als Patienten, die "nur" nach Standard behandelt werden.

An unserem Hause werden bei Patienten mit bösartigen Erkrankungen, also auch bei malignenGliomen, die Kollegen des Zentrums für Palliativmedizin frühzeitig eingebunden. Diese sind nicht nur für die Betreuung in den letzten Lebenstagen zuständig, sondern kümmern sich sehr frühzeitig um die soziale Betreuung der Patienten, führen Gespräche mit Patienten und deren Angehörigen und helfen den Patienten und deren Familien, die gesamte, belastende Situation in all ihren Facetten auf bestmöglichem Weg zu meistern. Dies ist auch dann sinnvoll und wird auch dann durchgeführt, wenn die Patienten aufgrund unserer therapeutischen Bemühungen noch eine sehr langfristige Prognose haben.